
Mitglied seit
07. 04. 2014
DHG-Huforthopäde/-in
Hallo Carbine,
ich kopiere mal Teile eines älteren Textes von mir aus dem Forenarchiv hierher, statt alles neu zu schreiben:
Mein Pferd hat auch Spat und lahmte vor 6 Jahren erstmals offensichtlich deswegen. Mein Haus-TA wollte auch einen speziellen Beschlag nach einem speziellen Schema. Auch der zusätzlich befragte Klinik-TA befürwortete einen -allerdings anders gearteten- Beschlag. Letzterer war immerhin bereit zu einer offenen Diskussion über das Für und Wider und die Möglichkeiten bzw. Grenzen dieser Maßnahme. Fazit unserer Diskussion:
1. Es kommt auf den Fall an! "Spat" heißt ja erstmal nur "schmerzhafte Erkrankung im Bereich des Sprunggelenks" - es gibt sogar sog. Weichteilspat. Man muss genau analysieren, an welcher Stelle aktuell gerade Schmerzen bestehen, damit man eine Maßnahme definieren kann. Und damit fängt die Schwierigkeit oft schon einmal an.
2. Sinn und Zweck einer Stellungsveränderung (unabhängig davon, ob sie per Beschlag oder am Barhuf durchgeführt werden soll), soll sein, dem Pferd einen schmerzreduzierte Bewegung zu ermöglichen, indem der schmerzhafte Bereich entlastet wird - was also nur geht, wenn man weiß, wo es zwickt und diese Tatsache bei der geplanten Manipulation berücksichtigt.
3. Das oben formulierte Ziel ist sehr schwierig zu erreichen, denn die Biomechanik des Pferdes ist kompliziert! Eine Stellungsänderung kann nur durch die Manipulation am Huf versucht werden - zwischen der Hufkapsel und dem Sprunggelenk sind aber mehrere Gelenke, die diese Änderung mittragen müssten (Hufgelenk, Krongelenk, Fesselgelenk). Hier kann und wird jedoch durch deren eigene Beweglichkeit einiges der Änderung verloren gehen bzw. diese Gelenke werden durch die Stellungsveränderung in möglicherweise ungünstiger Weise mitbetroffen. Jede Stellungsänderung bewirkt unweigerlich auch veränderte Zugverhältnisse auf die Sehnen und Bänder (auch den Fesselträgerapparat) der Gliedmaße, die durch den krankheitsbedingt veränderten Bewegungsablauf bereits ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen sein und dementsprechend empfindlich reagieren können. Das heißt: Was immer man macht, man tappt ein Stück weit im Dunkeln und weiß nicht vorher, ob die Maßnahme dem Pferd angenehm sein wird.
4. Eine bewusst herbei geführte, aprupte Stellungsänderung sollte, wenn das Ziel der Schmerzreduktion nicht zeitnah(!) erreicht wird, wieder rückgängig gemacht werden können. Das ist natürlich, wenn gekürzt wurde, am Barhuf schwieriger zu realisieren, als einfach einen nicht hilfreichen Beschlag wieder abzunehmen (allerdings nur, sofern hier nicht zusätzlich vorher die Hufkapsel stellungsverändernd manipuliert wurde).
Aus diesen oben erläuterten Gründen habe ich mich damals gegen eine manipulative Behandlung (Stellungsänderung) bei meinem Pferd entschieden und bin im Endeffekt gut damit gefahren. Es hat ihm statt dessen in der akut schmerzhaften Phase geholfen, für 6 Wochen einen extra weichen Kunststoffbeschlag zur Stoßdämpfung zu bekommen - parallel zur medikamentösen Behandlung. Da bei ihm der vordere Bereich des Gelenks schmerzhaft war, wurde der Beschlag nur etwas zurückversetzt angebracht, so dass er leichter abrollen konnte und das Gelenk in der Abstemmphase weniger stark durchstrecken musste (Entlastung für den schmerzenden Bereich des Gelenks). Nach den 6 Wochen kamen die Dinger ab, die Zehe wurde noch eine Weile etwas stärker gekürzt als normal (manche Spatpferde machen das von selbst) und später sind wir wieder zur normalen Bearbeitung zurückgekehrt.
"Normale Bearbeitung" heißt aus huforthopädischer Sicht, den Abrieb und die Druckbelastung der Hufkapsel zu analysieren und zu versuchen, situationsbedingt steuernd einzugreifen. Denn statt dem Pferd eine Stellung aufzuzwingen, die es möglicherweise nicht "mag", kann ein Barhufpferd in gewissem Rahmen durch seinen individuellen Bewegungsablauf selbst die Form seiner Hufe und seine Stellung beeinflussen. Es wird sich also seine bequemste Stellung tendenziell selbst anlaufen, wobei die huforthopädische Arbeit die Aufgabe hat, möglichst zu vermeiden, dass sich dies sich negativ auf die Hufkapsel auswirkt.
Mein Pferd ist übrigens noch jahrelang wirklich sehr gut gelaufen, bis er sich leider das andere Bein schwer verletzt hat.
Ich denke, es waren weniger die Maßnahmen am Huf, als die Medikamente, eine spezielle Nahrungsergänzung, Horizontaltherapie und ein langsames(!), sorgfältiges wieder Antrainieren, was dafür gesorgt hat, dass mein Wallach -sehr zur Überraschung meines TA- wieder fit geworden ist.
Ich hoffe, mit diesen Informationen ein Stück weiterzuhelfen. Schöne Grüße