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Die Bearbeitung des unbeschlagenen Pferdes (Gerhard Jampert)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen,

Ich stelle meinem Vortrag zwei Sätze voran, die man bezüglich des Themas Pferdehuf auch in Expertenkreisen immer wieder hört, und deren inneren Zusammenhang ich im Folgenden darlegen will:

„Ausschneiden kann doch jeder“

und

„Mein Pferd kann ohne Hufeisen nicht laufen“

Die erste Aussage fiel auf der Expertenkommission zur Erarbeitung der neuen Hufbeschlagsverordnung, als es darum ging, die Barhufbearbeitung als eigenen Gegenstand in die Ausbildungs- und Prüfungsordnung aufzunehmen. Die zweite Aussage kennzeichnet den Erfahrungsstand zahlreicher Pferdebesitzer. Beide Aussagen zeugen davon, dass die Grundsätze der Bearbeitung des unbeschlagenen Pferdes nicht bekannt oder in Vergessenheit geraten sind.

1.Die Grundprinzipien huforthopädischer Hufbearbeitung sind die Beachtung der Gesetzmäßigkeiten der Hufmechanik und der Biomorphose, die Materialerhaltung durch dosiertes Vorgehen und die Vermeidung abrupter Stellungswechsel bei der Korrektur deformierter Hufe.

Das Zehenendorgan des Pferdes ist hoch spezialisiert und für seine Funktion am Lauftier Pferd optimal ausgestaltet. Es hat die Schnelligkeit und Ausdauer des Pferdes auf den Boden zu bringen und muss dabei extreme Kräfte absorbieren. Der Huf ist entsprechend widerstandsfähig und hart und dennoch bemerkenswert elastisch. Er dient als Tastorgan und erneuert sich beständig selbst. Das Zusammenspiel von Abrieb und Nachwachsen sorgt dafür, dass das Pferd jedes Jahr über einen neuen Huf verfügt.

Das unbeschlagene Pferd läuft auf seinem eigenen Hornmaterial, das sich dabei abreibt – je nach Beanspruchung geschieht dies unterschiedlich stark. Bei angepasster Nutzung gleicht die Hornproduktion den laufenden Verschleiß kontinuierlich aus. Das schützende Hornmaterial ist grundsätzlich erhaltenswert. Entfernt werden darf nur, was das gesunde Laufverhalten stört, bzw. was einer heilungsorientierten Behandlung im Wege steht. In solchen Fällen sind dann u. U. befristete Nutzungseinschränkungen erforderlich.

Der Tragrand: Der vom Wandhorn gebildete Tragrand ist, der Name sagt es, der zum Tragen geeignete Teil des Hufes. Er besteht aus stabilen Hornröhrchen, verbunden durch zäh-elastisches Zwischenröhrchenhorn, und nutzt sich entsprechend der Bewegung des Pferdes ab. Ein moderater Tragrandüberstand ersetzt den Hufschutz und sollte beim unbeschlagenen Pferd nicht, wie zum Beschlagen notwendig, abgeschnitten werden, sondern kann abgenutzt sprich „abgeritten“ werden. Wird der Tragrand bei der Barhufbearbeitung entfernt, führt dies in der Regel zu fühligem Gang mitunter auch zu Lahmheit. Sind Barhufe einer starken Nutzung und damit einem starkem Abrieb ausgesetzt - bspw. die Hufe von Wanderreit- und Distanzpferden oder die in der amerikanischen Literatur oft zitierten Mustanghufe - so stellt dies in den Fällen kein Problem dar, in denen diese starke Beanspruchung antrainiert wurde. Die Hufe passen sich durch angemessenes Training der geforderten Mehrleistung an und bleiben auch ohne Tragrandüberstand für das Pferd bequem. In Fällen, wo ein solches Training unterbleibt oder nicht ausreicht, um das Verhältnis von Hornabrieb und Hornwachstum in der Waage zu halten, ist ein Hufschutz nötig. Umgekehrt sind die Pferde hierzulande aber nicht selten einem Mangel an Hornabrieb ausgesetzt. Zuwenig Bewegung und weiche Böden führen zu überhohem Tragrandüberstand, der den Huf sehr schnell ungünstig verformt. Das trifft auch auf das stark genutzte Sportpferd zu, wenn es nahezu ausschließlich auf weichen Reithallenböden geritten wird und seine Freizeit in der eingestreuten Box oder grasend auf der grünen Wiese verbringt. In solchen Fällen muss der Tragrand so gestaltet werden, dass der Abrieb forciert wird. Reicht dies nicht aus, sollte der...

Dieser Artikel ist Bestandteil der Tagungsmappe der 1. Huftagung der DHG e.V. Die Tagungsmappe (51 Seiten) kann zum Preis von 10 Euro bei uns bestellt werden.

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