Zum Hauptinhalt springen

Individuelle Unterschiede in der Histopathologie der Hufrehe und Konsequenzen für die Praxis am Huf

von Astrid Arnold

Wenn die Zehenwand des Hufes nicht mehr parallel zum Hufbeinrücken steht, wird die Diagnose „Chronische Hufrehe“ und Hufbeinrotation gestellt. Beim akuten Reheschub wird versucht, diese Hufbeinrotation zu verhindern. Immer steht hier die Erkrankung an der Wandlederhaut mit ihrer Zusammenhangstrennung im Vordergrund.

Weniger bekannt ist, dass es bei der Hufrehe auch immer zu weiteren Veränderungen am Kronrand und an der Sohle kommt. Nicht jede Hufrehe ist gleich. Je nach den Faktoren, welche die Hufrehe auslösen, und der individuellen Stellung des Hufes, kommt es zu einer Verbreiterung des Hufbeinträgers. In seltenen Fällen, und hier auch nur im Anfangsstadium, bleibt die Hufwand parallel und es kommt zur Hufbeinabsenkung ohne Rotation. Je nach Winkel des Hufes, Höhe des Hufes und Spannungen der Sehnen und Bänder, verbiegen sich die Hufwände an der vorderen Hufhälfte. Aber nicht nur die Zehenwand verbiegt sich, sondern die Verbiegung reicht bis in die Seitenwände.

Am Kronrand kommt es ebenfalls zu Veränderungen, die unterschiedlich ausfallen können. Die Kronlederhautzotten werden durch die Hufbeinabsenkung in die Waagrechte gedrückt. Sogar das Strahl- und Ballenkissen wird verändert.

Bei der Hufbeinrotation kommt es je nach Rotationsart (dazu später im Text Genaueres) zu einer schrägeren Ausrichtung der Kronlederhaut. Sie kann aber auch, im Falle einer reinen Hufbeinrotation im Hufgelenk, sogar in ihrer ursprünglichen Form und Ausrichtung bleiben.

Am Sohlenrand kommt es nur auf den ersten Blick immer zu denselben Veränderungen. Schaut man jedoch genauer hin, finden sich doch erhebliche Unterschiede. Je nachdem, welche Ursachen die Rehe auslösen und welche individuelle Stellung der Huf aufweist, wird die Netzschicht der Lederhaut (Stratum retikulare) durch den Hufbeinrand im Zehenbereich abgequetscht. Veränderungen an der Sohlenlederhaut haben immer Folgen für den Hufbeinrand. Bei einem auf dem Röntgenbild sichtbar veränderten Hufbeinrand müssen wir deshalb immer die veränderte Sohlenlederhaut in unsere Überlegungen mit einbeziehen.

Alle diese möglichen und unterschiedlichen Veränderungen im Kron-, Wand- und Sohlenbereich undifferenziert als Hufrehe zu bezeichnen, wird der Problematik nicht gerecht. Genauso wenig ist es gerechtfertigt, immer den gleich gearteten Behandlungsweg einzuschlagen. Wir sollten unsere Überlegungen zur Verhinderung von Hufrehe und zur Rückführung zu einem funktionsfähigen Huf den unterschiedlichen Voraussetzungen anpassen.

1. Die Hufbeinrotation

Um zu einer sinnvollen Individualisierung in der Hufrehetherapie am Huf zu gelangen, sollten wir in Bezug auf den Begriff der Hufbeinrotation genauer differenzieren. Es gibt hier ja drei Möglichkeiten:

1. Hufgelenksflexion: Das Hufbein ist tatsächlich in seinem Hufgelenk rotiert, d.h. das Hufbein steht steiler und in Flexion. Das Strahlbein ist nach oben aus seiner Gelenkfläche herausgeschoben.

Dabei ist auch noch der Unterschied zu differenzieren, ob die Rotation

a) tatsächlich einem steileren Hufbein geschuldet ist oder

b) das Kronbein über das Absinken der Fessel bei Belastung der Gliedmaße flacher steht.

2. Hufwandrotation: Die Hornkapsel ist um das Hufbein rotiert und das vordere Kronhorn steht nicht mehr parallel zum Hufbein.

3. Hufbeinrotation: Eine Kombination aus Punkt 1 und 2.

Ist es tatsächlich zu einer Flexion im Hufgelenk gekommen, gibt es verschiedene Ursachen: Zum einen kann diese Flexion schon vorher vorhanden gewesen sein, z.B. beim Sehnenstelzfuß mit Beteiligung der tiefen Beugesehne. Es kann aber auch durch die Verspannung der beugenden Muskulatur, ausgelöst durch die Schmerzen im Huf oder auch durch die absichtsvolle Erhöhung der Trachten in Zusammenhang mit der Therapie, zur Flexion kommen.

Alle diese Möglichkeiten lassen sich über Röntgenbilder und Untersuchung am Pferd gut feststellen. Hat man die Art und Ursache der Rotation festgestellt, kann man im zweiten Schritt überlegen, wie die Maßnahmen zur Gegensteuerung sein können. Es ist wichtig, die Situation vor der Rehe zu bedenken. War eine Flexion oder gar Extension vorher schon vorhanden oder wurde die Situation erst durch unseren Umgang mit dem Huf provoziert.

[1] Alle Röntgenbilder mit freundlicher Genehmigung von Tierärztin Sabine Wallner.

2. Die Kronlederhaut und der Kronrand

Bei der Hufbeinabsenkung werden die Kronlederhautzotten, die normalerweise Richtung Boden ausgerichtet sind, in die Waagrechte gedrückt. Dies geschieht fast immer bei einem akuten Reheschub. Bei der latenten Rehe muss das nicht der Fall sein und die Lederhautzotten bleiben mehr oder weniger in ihrer normalen Ausrichtung.

Wird nun über die waagrecht ausgerichteten Kronlederhautzotten Kronhorn produziert, entsteht die typische Rehefalte. Oberhalb des so entstandenen Faltenhorns sind die Hornröhrchen wieder mehr in ihrer ursprünglichen Richtung ausgerichtet.

Ich kann Ihnen leider kein Bild mit akut waagrecht ausgerichteten Kronlederhautzotten zeigen, da mir noch kein Huf in diesem Stadium für die Präparation zur Verfügung stand. Es gibt aber hierfür gute Bilder in verschiedenen Dissertationen.

Man kann an der Architektur der Hornfalte erkennen, ob die Verformung mehr einer Hufbeinabsenkung oder eher einer Zehenwandrotation geschuldet ist.

Kräfte an der Hornkapsel können die Lederhautzotten des Kronhorns also wieder besser in die ursprüngliche Verlaufsrichtung ausrichten! Diese Ausrichtung der Lederhautzotten kann auch dann geschehen, wenn die Zehenwand nach vorne verbiegt und die Hebelkräfte dort eigentlich diesem Vorgang entgegenwirken. Die Kraftübertragung über die Seitenwände macht das möglich. Diese laufen diagonal über den Huf und damit wirken die Zug- und Druckkräfte der Seitenwände auf den jeweils gegenüberliegenden Kronrand formgebend mit ein. Risse oder fehlende Wandabschnitte unterbrechen jedoch diese Kraftverteilung. Beachtet man diese Kräfte und bezieht sie in die Hufbehandlung mit ein, so können sie die Lederhautzotten an der Zehenwand wieder in eine besser ausgerichtete Richtung zum Boden bringen.

Die Gestaltung der Krafteinwirkung auf den Huf gelingt umso besser, je stabiler die Hufwand ist.

Durch die häufig praktizierte Entfernung der Zehenwand wirken zwar keine Hebelkräfte mehr auf den darüber liegenden Kronrand und den Hufbeinträger. Allerdings geht damit auch die haltende Kraft verloren und die Seitenwände neigen dazu, auseinanderzudriften

Die Seitenwände wiederum können die Kräfte bei fehlender Zehenwand nicht auf den Kronrand im Zehenbereich übertragen.

Die Kronlederhaut ist wie die Wandlederhaut und die Sohlenlederhaut durch kollagene Fasern mit dem Hufbein verbunden. Die Form und Ausrichtung der Hufwand hat Einfluss auf die Spannung der kollagenen Fasern. Bei Hufrehe mit Hufbeinabsenkung aber auch bei Wandrotationen – oder bei konkav bzw. konvex verbogenen oder gearbeiteten Hufwänden – kommt es zu Zerrungen an diesen Fasern oder je nach Schwere der Erkrankung auch zu Zerreißungen.

Bild 11 – 13: Kronrand mit unterschiedlicher Ausrichtung der Zehenwand

Natürlich kommt es auch beim gesunden Huf zu Spannungsänderungen an den Fasern am Kronrand. Wir sollten daher grundsätzlich bei der Gestaltung der Form der Hufwände auch an ihre Auswirkung auf den Kronrand denken.

Bei Stellungsänderungen, welche an der Hornkapsel und damit an der Gliedmaße vorgenommen werden, wird in erster Linie an die Folgen für die Gelenke, Sehnen und Bänder gedacht. Es wird nicht bedacht, was die abrupte Stellungsänderung an den Fasern der Lederhäute für Auswirkungen hat. Meiner Erfahrung nach reicht bei einem Rehehuf oft schon eine kleine Veränderung aus, um einen erneuten Reheschub zu provozieren.

3. Die Hufwand und die Wandlederhaut

Die bekannteste Veränderung am Hufbeinträger ist die Verbreiterung. In der ersten Stufe kommt es zu einer Zusammenhangstrennung der Hornblättchen der Hufwand von der laminaren Wandlederhaut. In der zweiten Stufe wird diese Lücke dann über Narbenhorn verschlossen. Auf dem Röntgenbild wird man eine nicht mehr parallele Hufwand zum Hufbeinrücken erkennen.

Weniger bekannt ist, dass es auch zu einer Zusammenhangstrennung in der Faserschicht der Wandlederhaut kommen kann. Auch hier wird sich auf einem Röntgenbild eine Wandrotation zeigen.

Die Hufbearbeiter unter Ihnen kennen das Phänomen, dass sich die Blättchenschicht nicht so weit verbreitert zeigt, wie es die Rotation am Röntgenbild vermuten lässt. Eine der möglichen Ursachen kann dann die Verbreiterung in der Faserschicht sein. Möglicherweise bedeutet das dann, dass sich die Schere zwischen Hufwand und Hufbein nicht wieder ganz schließen kann.

Wann immer der Verlauf des Kronhorns nicht der Form des Hufbeines entspricht und die Parallelität nicht vorhanden ist, muss die Anatomie der Wandlederhaut verändert sein. Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten. Auf den nachfolgenden Bildern zwei Beispiele: Einmal eine gekrümmte Zehenwand in Verbindung mit einem geraden Hufbein und einmal ein gekrümmtes Hufbein in Verbindung mit einer eher gestreckten Zehenwand.

Die Ursachen für diese Abweichungen der Anatomie können auch in der Hufbearbeitung liegen. So wurde mir berichtet, dass bei dem Pferd des Präparates auf Bild 16 die Zehenwand immer über einen längeren Zeitraum in diese gekrümmte Richtung bearbeitet wurde. Zu dem Pferd des Präparatebildes 17 habe ich keine Informationen, aber bei genauem Hinsehen kann man erkennen, dass auch hier die Hufwand tendenziell eine gekrümmte Form hat. Der lange Überstand der schräg zum Boden ausgerichteten Wand bewirkt hier das gestreckte Aussehen der Wand. Diese Kombination führt zur Verbreiterung in der Lederhaut am Hufbeinrand. Wir sollten vermutlich aufhören, nur eine gestreckt verlaufende Hufwand als Ideal zu betrachten und diese dem Huf aufzwingen zu wollen. Die Beispiele zeigen wieder einmal auf, wie wichtig es für eine gesicherte Diagnose ist, nicht nur die Röntgenbilder heranzuziehen, sondern die Anamnese am Huf mit den bildgebenden Verfahren in Einklang zu bringen. Wir müssen eine genaue Vorstellung davon bekommen, wie sich die sichtbaren Veränderungen genau auf die Anatomie der Lederhäute auswirken. Nur so können wir die therapeutischen Maßnahmen individuell anpassen. Ich habe etliche Präparate mit einer im unteren Bereich der Hufwand steiler gestalteten Hufwand bzw. mit einer gekrümmten Hufwand. Alle diese Präparate zeigen einen aufgedehnten Bereich an den Fasern vom Hufbein zum laminaren Anteil der Wandlederhaut. Ich stelle mir angesichts dessen die folgenden Fragen: Inwieweit hat diese Hufform Auswirkung auf die Durchblutung der Wandlederhaut wie auch auf die Durchblutung des gesamten Hufes? Inwieweit trägt diese Hufsituation zu einer Destabilisierung des Hufes bei? Fragen, auf die ich bisher keine Antwort gefunden habe. 4. Die Sohlenlederhaut und der Sohlenrand Veränderungen am Sohlenrand finden immer dann statt, wenn auf die Sohlenlederhaut - hier insbesondere an der Netzschicht - unphysiologische Druck- und Zugverhältnisse wirken. Dies ist immer bei einer Rehe mit Hufbeinabsenkung und/oder Rotation zu erwarten. Auch bei einer dünnen Hornschicht am Sohlenrand, wenn der Huf zusätzlich keinen Wandüberstand hat, kann es zu übermäßigem Druck auf die Sohlenlederhaut kommen. Dabei verändert die Sohlenlederhaut ihre Architektur, sie legt sich um den Hufbeinrand. Die Netzschicht wird dünner, die Sohlenlederhautzotten werden schräger zur Zehe ausgerichtet. Die Terminalzotten liegen weiter oben an den Wandlederhautlamellen. Es beginnt, wenn auch am Anfang nur dezent, eine Hutkrempenbildung.

5. Die Seitenbereiche des Hufes

Bei dem klassischen Umgang mit dem Rehehuf werden meiner Meinung nach die Seitenwände zu wenig beachtet. Diese stauchen hoch, wenn die Zehenwand gänzlich aus der Belastung genommen wird. Diesen typischen Schwung am Kronrand kann man bei vielen Rehehufen beobachten (siehe Bild 5, Bild 18).

Der Hufbeinträger der Seitenwand ist ja ebenfalls von der Hufrehe betroffen. Einmal wegen der Rehe selbst, zum anderen aber auch wegen der Überbelastung, da die Zehenwand nicht mehr trägt. Man muss dabei bedenken, dass, wenn die Zehenwand in ihrer gesamten Rundung keine Last mehr aufnimmt, wie bspw. infolge einer Zehenwandresektion, die Seitenwände um ca. die Hälfte mehr an Gewichtsbelastung übernehmen müssen.

So ist es möglich, dass eine Hutkrempenbildung auch sehr wohl an den Seiten des Hufbeines, mitunter sogar mehr als an der Zehenwand, stattfindet.

Hufbeinrand des Präparates von Bild 3 bis 5

6. Der chronische Rehehuf

Gelingt es nicht, die Veränderungen, welche durch Hufrehe in Gang gesetzt werden, zu stoppen und evtl. auch wieder rückzuführen, schreiten diese Veränderungen weiter fort. Der Zeitpunkt, zu dem aus dem Rehehuf noch mal ein normaler Huf werden kann, ist verpasst. Die Veränderungen an der Hufkrone, am Sohlenrand, an der Wandlederhaut und am Hufbein selbst, sind miteinander verknüpft. Das bedeutet: Eine Veränderung an einer der Strukturen beinhaltet immer auch eine Veränderung an den anderen Strukturen. Äußerlich sichtbar erscheinen uns diese Veränderungen immer sehr ähnlich, innerlich betrachtet gibt es aber doch erhebliche Unterschiede. 

Mir persönlich werden in der Hufrehebehandlung zu einseitig die Bearbeitung der hebelnden Zehenwand und die Entfernung des Narbenhornkeils gefordert. Entfernt man zu viel der Zehenwand, verschenkt man die Möglichkeit, über die Seitenwände positiven Einfluss auf die Krone zu nehmen. Allerdings beginnt doch an der Krone das Horn nachzuschieben, welches ich in Zukunft für einen gesünderen Huf benötige. Außerdem werden die Seitenwände zu viel belastet mit den oben beschriebenen Auswirkungen.

Häufig erwarten wir zu viel von einem chronischen Rehehuf. Einige der Veränderungen wie z.B. die Hutkrempe werden sich nicht zurückführen lassen. Dass sich die Veränderung der Netzschicht an der Sohle oder eine Verbreiterung der Netzschicht an der Wand- und Kronlederhaut zurückführen lassen, habe ich noch nicht erlebt. Ich bin der Meinung, es ist sinnvoller, die beeinflussbaren „Baustellen“ am Huf zu „renovieren“ und sich von einem Idealbild Huf zu verabschieden.

7. Praktische Anwendung der Erkenntnisse

Im Fall Najade, einer Aegidienberger Stute von 18 Jahren mit jahrelanger Rehegeschichte, beurteile ich das Röntgenbild so, dass es zwar evtl. zu einer leichten Rotation im Hufgelenk gekommen ist, jedoch nicht in dem Maße wie es die gebrochene Linie des Fesselstandes vermuten lässt: Das Strahlbein ist nur gering nach oben verschoben. Najade hatte starke Verspannungen der beugenden Muskulatur und von daher starken Zug auf der tiefen Beugesehne. Ein Korrekturpotential im Hufgelenk habe ich aufgrund der Hufknorpelverknöcherung als gering bis nicht gegeben angesehen.

Das Strahlbein ist ja mit dem Hufknorpel verbunden und ich gehe davon aus, dass diese Verbindung nicht mehr flexibel ist. Daher hatte ich eine Stellungsänderung, auch nur kurzfristig, durch erhöhtes Polstern oder Kürzen der Trachten nicht in Erwägung gezogen. Davon abgesehen hätte sich jede noch so geringe Stellungsänderung auf die, mit Sicherheit bereits gestressten Faserverbindungen der Lederhäute zum Hufbein negativ ausgewirkt.

Die Hufwand war bereits von der Krone ausgehend weit nach vorne rotiert. Die Bildung von Faltenhorn zeigte aber auch, dass eine Rückführung der nach vorne ausgerichteten Zotten der Kronlederhaut zumindest zum Teil noch möglich sein sollte. Hierfür brauchte es eine Zehenwand, die zwar im Hebel minimiert war, jedoch die Kräfte überträgt, die über die Trachten und Trachtenwände auf die Kronlederhaut wirkten. Auch das Saumhorn sollte zur Ausrichtung der Kronzotten beitragen und wurde daher gut gepflegt.

Die Fasern, welche den Kronrand mit seiner Subkutis am Hufbein halten, waren gedehnt. Eine im unteren Drittel rund geraspelte Hufwand (bullnasig), oder eine stark gerundete Hufwand, hätte zu einer weiteren Dehnung der Fasern führen können. Das galt es in jedem Fall zu vermeiden, um nicht das vielleicht letzte noch geringe Potenzial zu verspielen, die Krone wieder in eine günstigere Ausrichtung zu bringen.

Der abgebildete Hufbeinträger war stark verbreitert. Allerdings nicht so breit, wie es sich auf dem Röntgenbild darstellte. Dafür war die Blättchenschicht am Huf nicht breit genug. Das war zwar auch dem Umstand geschuldet, dass sich das Sohlenhorn waagrecht über die Blättchenschicht geschoben hatte und daher die Blättchenschicht teilweise überdeckte. Ich bin aber auch davon ausgegangen, dass die Fasern, welche die Lamellenlederhaut am Hufbein halten, zumindest im unteren Bereich gedehnt waren.

Die Verbreiterung des Hufbeinträgers kann wieder geringer werden, wenn die Hufwand von der Krone ausgehend steiler gebildet wird. Für die Verbreiterung in der Faserschicht ist mir das nicht bekannt. Daher erwartete ich für die Zukunft zwar eine funktionalere Hufwand mit einer schmaleren Blättchenschicht, nicht aber eine wieder gänzlich parallele Hufwand.

Ein weiteres Problem habe ich an der schon stark veränderten Hufbeinspitze und der damit einhergehenden Lederhautverlagerung gesehen. Am Röntgenbild wie auch am Huf selbst hat man gesehen, dass das Sohlenhorn waagrecht nach vorne gebildet wurde. Die eigentlich am Hufrand dicke Netzschicht ist in diesem Fall – und typisch für so langjährige Rehegeschichten – praktisch nicht mehr vorhanden. Die Papillen-Lederhaut der Sohle hatte sich um die veränderte Hufbeinspitze herumgelegt. Das sind meiner Meinung nach Veränderungen, die sich nicht mehr zurückführen lassen. Hier war mein Ziel, diese Situation möge sich zukünftig nicht mehr verschlechtern. Dazu durfte meiner Meinung nach der Sohlenrand an der Hufzehe nur einen geringen Bodengegendruck erfahren, unabhängig davon, ob die Sohle dort dick oder dünn war. Die waagrecht ausgerichteten Sohlenhornröhrchen übten bei Bodendruck Zug auf die Lederhaut aus. Daher brauchte dieser Huf einen gewissen Abstand zum Boden, hergestellt über die weniger betroffenen Seitenwände. Die Länge der Sohlenhornröhrchen musste so kurz wie möglich gehalten werden. Das verhinderte auch, dass sich die Sohle weiter über die Blättchenschicht legte und erleichterte damit, dass das Narbenhorn der Blättchenschicht ungehindert Richtung Boden geschoben werden konnte. Anderenfalls würde die Blättchenschicht sozusagen einsperrt und zwischen Hufbein und Hufwand gedrückt. Das hätte platzfordernd zusätzlich zu einer weiteren Verbreiterung im Hufbeinträgerbereich geführt.

Solange die Hufe noch schmerzten, wurde über einen leichten Polsterverband das Hufbein in den Seitenbereichen unterstützt und die dünne Sohle unter der Hufbeinspitze geschützt. Da die Zusammenhangstrennung von der Zehe bis weit in die Seitenwände reichte, konnten nur noch die Trachten schmerzfrei belastet werden. Daher dachte ich auch nicht daran, die typische Stellung in der Rehe, mit vorgestellter Vorhand, unterbinden zu wollen. Unbedingt mussten die Fäulnisprozesse, die sich ja bei Rehehufen in der Blättchenschicht und häufig in der Sohle finden, behandelt werden.

Behandlungsbeginn von Najade war im März 2016, der Reheschub dauerte jedoch noch bis Mai 2016 an. Im Juni 2016 kamen dann noch Hufgeschwüre an der Zehe und im gesamten vorderen Sohlenbereich dazu. Ab August 2016 lief Najade auch ohne Hufschutz sehr gut, bis meine Hufbearbeitung im Oktober 2016 zu einer erheblichen Verschlechterung des Laufverhaltens führte. Ich war zu ungeduldig geworden und wollte mehr Einflussnahme als gut tat. Im November 2016 kam eine eindeutig der Hinterhand geschuldete Bewegungsstörung dazu. Die Vorderhufe waren zu dem Zeitpunkt nicht mehr empfindlich. Recherchen der Pferdebesitzerin kamen der Ursache der Bewegungsstörung der Hinterhand auf den Grund. Es war das Tannin im Futtermittel Esparsette, welches Najade zur Unterstützung des Stoffwechsels bekam. Ab Januar 2017 konnte Najade dann endlich wieder auch ohne Hufschutz auf weichem Boden laufen.

Mit zunehmender Lauffreude wurde die Optik der Hufe wieder deutlich schlechter - benutze Hufe sehen eben oft weniger schön aus als unbenutzte. Ich versuche mich daran nicht zu stören und freue mich, dass das Pferd gut läuft.

Bilder 25 bis 27: März 2016

Bilder 28 bis 30: März 2017

Es ist wahrscheinlich, dass die Hufe von Najade nie wieder ganz normal werden. Für ein gemütliches Leben als Rentnerin und leichte Arbeit wird das Erreichte aber genügen. Najade läuft heute sogar ohne Hufschutz mit leichtem Reiter wieder auf dem Reitplatz. Das war ihr nicht mal die letzten Jahre vor dem schweren Reheschub möglich.

Alles zum Thema Hufrehe

Auf unserer Übersichtseite Hufrehe - Ursachen, Folgen und Behandlung haben wir sämtliche Informationen, Bild- und Videomaterial sowie viele erfolgreiche Fallbeispiele zur Hufrehe für Sie zusammengestellt.