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11. Huftagung der DHG e.V. 2017

In zwei intensiven Tagen haben 14 Referentinnen und Referenten den 186  Teilnehmern das Thema Hufrehe näher gebracht: Ausgehend von der  physiologischen Anatomie des Hufbeinträgers ging die inhaltliche Reise über die Mechanismen, die auf zellulärer Ebene stattfinden, wenn der Hufbeinträger während einer Hufrehe erkrankt. Bilder von Sägeschnitt- und Scheibenpräparaten sowie mit Sorgfalt hergestellte histologische Präparate und detailgetreue Modellzeichnungen verdeutlichten die  dramatischen Auswirkungen, die die Rehe auf den Hufbeinträger hat. Nachdem das Verständnis für das Wesen der Hufrehe gelegt war, ging es weiter mit der Betrachtung, ob es sich bei der Hufreheerkrankung ausschließlich um eine "Zivilisationskrankheit" handelt oder ob sie auch bei wildlebenden Pferden auftritt. Anschließend wandte sich das Programm der Therapie der akuten und chronischen Rehe zu - sowohl schulmedizinisch wie orthopädisch als auch mit den Mitteln der Komplementärmedizin. Es folgte die Darstellung des Potentials des Barhufes bei der Sanierung chronischer Rehehufe. Ein Exkurs widmete sich dem Thema PPID - landläufig unter dem (wie an diesem Tag sehr gut verständlich gemacht) beim Pferd nicht zutreffenden Begriff "Cushing" bekannt. Einen Abschluss fand die Tagung schließlich mit der Betrachtung der Hufrehe beim Esel.

Die wichtigsten Erkenntnisse knapp zusammengefasst:
  • Bei der überwiegenden Anzahl der heute auftretenden Rehefälle handelt es sich um hyperinsulinämische Hufrehen. Toxische Rehefälle sind weitaus seltener, wenn dann jedoch in der Regel deutlich dramatischer.
  • Die Insulinreaktion des Körpers erfolgt in unmittelbarer Reaktion auf die orale Aufnahme kohlehydratreichen Futters bereits über Rezeptoren im Magen. Das sollte a) bei der Anwendung der Testverfahren auf Insulinresistenz berücksichtigt werden (empfehlenswert ist der ORALE Glukose Toleranztest) und ergibt b) aus der Sicht Chris Pollitts neue Therapiemöglichkeiten (Metformin).
  • Die Zellen im Hufbeinträger verbrauchen hohe Mengen an Glukose für den interzellulären Halt, das ist bekannt. Was bislang weniger bekannt ist, ist die Tatsache, dass dieser interzelluläre Halt durch eine bestehende Hyperinsulinämie sukzessive und auch bereits vor der expliziten Hufreheerkrankung geschädigt wird. Es kommt zunächst zu einer Verlängerung/Aufweichung der „Haltemechanismen" der Zellen, später im Zuge der Rehe lösen sich diese teilweise auf. Das Anfangsstadium, sprich die insulinbedingte  Verlängerung und Aufweichung, ist a) bei der Hufbearbeitung feststellbar und b) bei Abstellung des hohen Insulinspiegels reversibel! Neben den Desmosomen und Halbdesmosomen besitzen nach den neuesten Erkenntnissen von Chris Pollitt Atkine hierbei eine Schlüsselrolle.
  • Kryotherapie ist DAS Mittel der Wahl, um eine zu befürchtende Rehe (Colitis, Nachgeburtsverhaltung, … ) prophylaktisch zu verhindern. Aber auch nach dem Auftreten klinischer Symptome einer Hufrehe ist die Kryotherapie hervorragend  geeignet, den Fortschritt der destruktiven Prozesse zu stoppen. Wichtig:
    1. Dauerkühlung (72h)   2. der kompletten distalen Gliedmaße, d.h. inkl. Röhrbein    3.  Eiswasser (keine Eis-Manschetten! sondern ein durch Eiswürfel/Crush-Eis gekühltes Wasserbad) sichert nebenwirkungsfreien Erfolg.
  • Die Anwendung von LowLevelLaserTherapie/Laserakupunktur wie auch der Einsatz von Blutegeln (möglichst in den ersten Tagen der Hufrehe) ist komplementärmedizinisch sehr hilfreich.
  • Orthopädisch ist es wichtig, die Bewegung des Pferdes einzuschränken („einen Ruheraum herstellen“) und weiche Bodenbedingungen/Polster zu schaffen, um den Hufbeinträger und die Gewebe unter dem Hufbein (Nerven, Blutgefäße) vor Beschädigungen zu schützen. Über die Art der Polsterung des Hufes zu diesem Zweck sowie über seine explizite Zubereitung wurde kontrovers diskutiert.
  • Eine Hufbeinrotation ist, anders als bisher angenommen, kein Phänomen der akuten Hufrehe, sondern vielmehr eines der chronischen Hufrehe. Missverständnisse sind hierbei jedoch vorprogrammiert, da in der Regel selbst in der veterinärmedizinischen Fachliteratur die Hufkapselrotation nicht von der Rotation des Hufbeines unterschieden wird.
  • Aus dieser Tatsache folgt, dass das Aufkeilen der Hufe als häufig eingesetzte akute Therapiemaßnahme dringend überdacht werden muss. Die einzige Indikation für das Aufkeilen ist die gefürchtete Hufbeinrotation.
  • Der infolge einer Hufrehe sich bildende Narbenhornkeil ist sinnvoll, da er den Zusammenhalt im Hufbeinträger auf schnelle Weise wieder herstellt. Er wächst im Verlaufe eines Jahres zuverlässig heraus, wenn die Reheursachen erfolgreich gestoppt werden und die Hufbearbeitung stimmt. 
  • Zum Punkt der Hufbearbeitung wurden kontroverse Meinungen ausgetauscht: Während die Lehrmeinung beim Hufrehehuf eine Orientierung an der "Normalform des Hufes“ vorschreibt (Herstellung der Parallelität von Hufbeinrücken und Zehenwand, hierfür starke Zehenwandbearbeitung, Herstellung eines „normalen“ Palmarwinkels des Hufbeines), raten die Huforthopäden der DHG e.V. zu mehr Akzeptanz des nach der Hufrehe vorübergehend veränderten Hufzustandes. Denn die Normalform des Hufes, so die Argumentation, ist den momentan veränderten Gegebenheiten des Rehehufes nicht angemessen und der Versuch einer Annäherung an diese, missachtet die Eigenreparaturleistungen des Rehehufes und birgt zusätzliche Probleme, die die Gesundung des Hufes erschweren statt erleichtern.
  • Aufgrund der abweichenden Anatomie der distalen Gliedmaße des Esels findet hier leicht eine Fehleinschätzung der Situation statt.

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